Ab dem 28. April wird geklaut und geplündert

Kürzlich machte der Welterschöpfungstag die Runde. Er hat sich seit ein paar Jahren medial fast schon eingebürgert, wie das alljährliche Gedenken an Hiroshima oder der Muttertag. Basierend auf einem rechnerischen Modell wird der Tag ermittelt, an dem die materiellen Grundlagen, die die Erde in einem Jahr bereitstellen kann, aufgebraucht sind und wir von der Substanz leben. Ab diesem Datum brauchen wir „weitere Erden“, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Diese gibt es aber nicht, wir leben scheinbar auf Kredit. Dies aber ist falsch; Wir bekommen keinen Kredit, wir hatten nie einen. Seit dem 28. April plündern und bestehlen wir Deutsche unser Land. Damit sind wir noch schlimmer als die Weltgemeinschaft, die seit dem 8. August ihr Konto überzogen hat. Und das tun wir nicht erst seit diesem Jahr. Bis 1950 haben wir Deutsche brav gehungert, dann aber kam mit dem Aufschwung die Gier, und wir fingen an, unser Land auszubeuten. Die Art von Wohlstand, die wir heute zelebrieren, ist laut und stinkt nach Abgasen und Gülle.

Stellen wir uns vor, jemand lädt uns und ein paar Freunde für einige Tage zu sich ein und stellt uns alles, was wir zum Leben brauchen, zur Verfügung. Nach einem unterhaltsamen Abend verläßt er uns, weil er wichtige Erledigungen tätigen muß. Zuvor macht er uns aber darauf aufmerksam, daß wir weiterhin als Gäste willkommen sind, die Vorräte und das Brunnenwasser aber so einzuteilen haben, daß weitere Gäste, die sich für nächste Woche angekündigt haben, hier ebenfalls eine gute Zeit verbringen können. Nun haben wir die Wahl; Wir können die Abwesenheit des Gastgebers nutzen, um eine bacchantische Sause zu feiern und im Weinkeller die ältesten Flaschen zu köpfen. Oder wir verhalten uns wie gute Gäste, an die man sich später gern erinnert?!

Jetzt werden wir vielleicht sagen, ersteres liegt uns fern. Radikal gesagt benehmen sich die meisten von uns aber jeden Tag wie feiernde Gäste der Erde, die über ihre Verhältnisse leben (siehe Infobox „Party“). Wir verschulden uns, weil wir auf Kosten anderer leben.

Doch wir wollen nicht nur anklagen, wir wollen Wege aufzeigen. Wir schlagen die Einführung eines Punktesystems vor. Jeder bekommt zu Beginn des Jahres ein Guthaben, das sich analog zum Erwerb aller lebensnötigen Dinge im Laufe des Jahres reduziert. Die Anzahl der Punkte entspricht dabei dem, was die Erde natürlicherweise in diesem Jahr jedem zur Verfügung stellt, und sichert so, daß jeder nur das verbraucht, was anteilig verfügbar ist. Was passiert, wenn gegen Ende des Sommers die notwendigen Punkte bereits verbraucht sind? Dann müssen wir uns einschränken. War der neue Computer wirklich so wichtig? Dann darf man eben bis Jahresende kein Fleisch mehr verzehren.

Was tun, wenn das Ziel partout verfehlt wird, und man mit den Punkten nicht auskommt? Hier muß ein Bestrafungssystem drohen. Wir wollen es nicht so weit treiben, wie im frühen Byzanz, wo Ehebrechern als Schandmal die Nase abgeschnitten wurde. Wir müssen den, der sich verschuldet, stigmatisieren. Dazu sollten die Massenmedien benutzt werden. Wie wäre es, wenn auf Seite drei der Bildzeitung nicht das Playmate des Tages, sondern der unredlichste Schuldner mit Namen und Adresse abgebildet würde?

Übertragen auf die Nationalstaaten muß klar sein, daß der Raubbau an den Grundlagen des Lebens auf internationaler Ebene strafrechtlich sanktioniert werden muß, wenn wir ernsthaft vorhaben, auf einen nachhaltigen Kurs umzusteuern. Phrasen wie „Wachstum“, die die Medien ständig in stereotyper Weise wiederholen, sollte mißtraut werden. Das Konzept der gesellschaftlichen Entwicklung durch Wachstum ist verwerflich. Wir kennen diese kleinen, in sich abgeschlossenen Glasgefäße, in denen etwas Erde, Wasser, Pflanzen und Mikroben in einem Mikrokosmus unter Ausschluß jeglichen Eintrags (sieht man von Strahlungsenergie ab) in einer perfekten Balance von Werden und Vergehen existieren. Unsere Erde stellt nichts anderes dar, als so ein System. Wohin soll immerwährendes Wachstum führen? Um das Bild zu bemühen: irgendwann wird die Glaskugel platzen und der Mikrokosmus auf den Müllhaufen wandern. Wollen wir wirklich, daß unser blaues Raumschiff Erde dieses Schicksal erfährt?!

Nutzen wir die Chance der Veränderung! Nach Hermann Hesse heißt es: „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Man kann jeden Tag aufstehen und etwas ändern. Zeigen wir, daß es auch den Weg abseits der Massen gibt, den die Mutigen zuerst beschreiten. Dann nämlich kann die Masse später nicht sagen „Wir haben von nichts gewußt!“