Neulich am Gartenzaun…

Die Nachbarinnen Christa und Hilde haben beide die 60 gerade überschritten und stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Doch so langsam beginnen auch sie sich Gedanken um ihre Zukunft zu machen…

Christa: Hast du gehört, das Haus von unserem ehemaligen Nachbarn wird zwangsversteigert.
Hilde: Wieso das denn?

C: Er ist jetzt schon seit 1 ½ Jahren im Altenheim, da ist das Ersparte wohl aufgebraucht. Kinder hatte er ja keine.

H: Ja, überall das Gleiche, immer mehr Alte werden ins Heim abgeschoben oder gehen sogar freiwillig dorthin, weil sie Angst haben, alleine zu Hause zu sterben. Erst hat man mühsam gespart, dann kommt man ins Heim, und sofort wird nachgesehen, was zu Hause noch zu holen ist. Danach werden die Kinder belangt und zum Schluß bezahlt das Sozialamt, also wir alle.

C: Ich glaube, es sind meist die Verwandten, die ihre Alten abschieben und damit ihr Gewissen beruhigen. Opa ist gut untergebracht und man kann ungestört das eigene Leben genießen. Dabei herrschen dort mittlerweile Zustände, wie bei der Massentierhaltung, nur daß die Alten nicht geschlachtet, sondern ruhiggestellt und finanziell kräftig gemolken werden.

H: Bei vielen fängt das mit einem Krankenhausaufenthalt an, wenn sie sich z.B. etwas gebrochen haben. Dann geht’s in die Reha und danach direkt ins Heim; das wirkt auf mich wie ein abgekartetes Spiel. Ich habe gehört, viele Heime gehören der Kirche, aber auch „Wohltätigkeitsverbände“ wie das Rote Kreuz und private Firmen wissen, daß man hier richtig viel Geld verdienen kann. Am besten wäre, man bleibt dem Krankenhaus fern, solange es eben geht; denn ist man erst mal „in der Mühle“, kommt man nie wieder raus.

C: Die meisten lassen ja eh alles mit sich machen und fragen nicht einmal, wofür die ganzen Behandlungen überhaupt gut sind. Mit mir können die das jedenfalls nicht machen, ich will mir bis zuletzt selbst den Hintern abwischen, und wenn die Zeit da ist, dann möchte ich in Ruhe sterben. Dazu fällt mir das Lied von Reinhard Mey ein: “Wie ein Baum, den man fällt, eine Ähre im Feld – möcht ich im Stehen sterben“.

H: Ja, das spricht mir aus der Seele und so war das früher oft auch! Mein Großvater hat bis zuletzt, mit weit über 80, noch den Stall ausgemistet, deine Oma den ganzen Garten umgegraben. Und deine Mutter mit ihren 85 versorgt sich immer noch selbst und pfeift auf „Essen auf Rädern“.

C: Aber wehe, es kommt ihr jemand in die Quere, dann ist sie sofort auf hundertachtzig! Ich glaube, dieses Feuer in ihr, bewahrt sie davor zu resignieren und sich alt und krank zu fühlen, obwohl sie natürlich auch ihre Zipperlein hat. Das bewundere ich wirklich an ihr: Sie jammert nicht rum und verbringt ihre Zeit nicht in Wartezimmern der Ärzte, wie so viele andere Rentner.

H: Und die Schneiders, die machen stattdessen Rentner-Kreuzfahrten. 14 Tage Fressen und Nichtstun auf hoher See und lassen sich so das Geld aus der Tasche ziehen. Als ob ein gutes Leben teures Faulenzen bedeuten würde.

C: Das hängt wohl wirklich viel mit der heutigen Arbeitswelt zusammen. Viele arbeiten den ganzen Tag in lauten Fabriken, sitzen den ganzen Tag, müssen womöglich noch nachts oder Schicht arbeiten. Viele sind auch zermürbt und deprimiert, weil sie über Jahre immer nur das gemacht haben, was andere von ihnen wollten, und sich niemals selbst verwirklichen konnten.

H: Mag sein, aber ich beobachte auch, daß viele erst mit Beginn ihrer Rente rapide altern. Die Knochen werden brüchig, die Haut wird schlaff und runzelig, das Herz kommt aus dem Takt, viele bekommen Zucker, auch die Blase wird undicht (Anmerkung der Redaktion: siehe akt. Thema Nykturie) und oft genug kommen Depressionen und Demenz dazu. Als ob Körper und Seele aufgeben würden, weil die Menschen nicht mehr gebraucht werden. Ich mag das Wort „Rente“ überhaupt nicht, es klingt schon so nach nahem Tod…

C: Aber wie können wir es besser machen?

H: Ich habe mir vorgenommen, so lange und so viel weiterzuarbeiten, wie es meine Kraft erlaubt, vielleicht auch nur ein paar Stunden am Tag. Wichtig für mich ist auch tägliches Spazierengehen, möglichst in der Natur. Leider trifft man in Deutschland überall auf Krach. Irgendwo hört man immer eine Autobahn oder einen Rasenmäher.

C: Ich habe ja gottseidank meinen Garten. Ich liebe es, in der Erde zu buddeln, eigenes Obst und Gemüse zu ernten und schöne Blumen zu haben. Ich denke, Gartenarbeit kann es mit jedem Fitnessstudio aufnehmen, und die Bewegung an der frischen Luft ist bestimmt gesünder, als der Mief in der „Mucki-Bude“. Und ein paar Hühner werde ich auch halten. Und wenn mir das Kochen für eine Person keinen Spaß macht, dann lade ich Dich ein, dann können wir zudem ein gemütliches Schwätzchen halten.

H: Da hast Du vollkommen Recht. Nur weil ich geschieden bin und meine Tochter nicht mehr hier wohnt, will ich doch später nicht immer alleine zu Hause sitzen und Trübsal blasen. Es ist doch schön, wenn man Freunde und gute Nachbarn hat.