Tödliche Weihnachten

Sind Sie auch im Weihnachtsrausch? Geschenke kaufen, Verwandtenbesuche planen, auf den Festmärkten flanieren, den Urlaub vorbereiten, was man eben zu machen hat… Bei so viel geballter Besinnlichkeit kommen die Menschen aus der Puste: Rund um Weihnachten und ganz besonders an Heiligabend erreicht die Zahl der Herzinfarkte ihren Jahreshöchststand. [1]

Das Fest der Feste: der zivilisatorische Gipfel
Die Ursachen der Infarkthäufung sind leicht aufgezählt: Streß, seelische Not, Bewegungsarmut und Fressen bis zum Erbrechen. An Weihnachten treiben wir auf die Spitze, was die Zivilisation krank macht. So versagen die Herzen ausgerechnet zum Fest der Liebe. Müssen wir Weihnachten also absagen? Zumindest würde dies die Herzinfarkt-Zahlen auf das alltägliche Zivilisationsniveau senken. Es geht aber auch besser.

Die Geborgenheit der Herde
Ob an Weihnachten oder im Alltag, wir richten es uns bequem ein, wenn wir immer das tun, was die Konvention vorgibt und die Nachbarn erwarten. Der Pfarrer inszeniert sich als Hirte und spricht von seinen Schäfchen. So verhalten wir uns auch: Wie die Schafe in einer Herde blöken wir im Chor; Abweichung wird mißbilligt, ganz egal, ob sie zum Guten hin strebt. Gott sei Dank! gab es schon immer inspirierende Ausnahmen. Gerade an Weihnachten könnten wir uns eines beispielhaften Menschen erinnern, dem der Gestank der Herde unerträglich war, der aus seinem Herzen keine Mördergrube machte, der Mut, Entschlossenheit, Empfindungsfähigkeit und Rückgrat bewies: Jesus kümmerte sich nicht um Konventionen, hielt den Scheineliten unerschrocken ihre Heuchelei vor, verjagte die Geschäftemacher – vielleicht sogar handgreiflich – aus dem Tempel. Den Skandal suchte er nicht um der eigenen Profilierung willen, aber er nahm ihn in Kauf für die gute Sache.

Was hat Jesus mit unseren Herzinfarkten zu tun?
An Einsicht in die Ursachen unserer Krankheiten und an allgemeinen Klagen über die Konsum-Auswüchse mangelt es nicht, ebensowenig an guten Vorsätzen. Was uns aber fehlt, sind Mut und Entschlossenheit, gegen die Scheineliten für das Richtige einzustehen. Dazu kommt eine träge Sattheit, die die Masse die zivilisatorischen Konsumgötzen anbeten läßt. Der Obrigkeit kommt das freilich zupaß: Ein betrunkenes Volk läßt sich leichter regieren, das wußte schon Katharina die Große. Wo sie einst nur den Wodka im Blick hatte, denken wir heute an all den betäubenden Luxus.

Es ist dieser bequeme Luxus, der uns krank macht; das gilt nicht nur, aber ganz besonders zu Weihnachten. Um dem betäubten Herdentrott in den Abgrund etwas entgegensetzen zu können, braucht es all die Eigenschaften, die Jesus in seinen ganz unmystischen Taten zeigte, die auch jedem Atheisten und Andersgläubigen ein Vorbild sein können. Kaum einer ist zum Märtyrer geboren, aber jeder kann sich inspirieren lassen. Dafür müssen wir uns nicht an den von den Kirchen vereinnahmten Jesus halten, sondern an den echten Jesus. Es gibt auch andere Vorbilder, von Spartakos bis Gandhi – Persönlichkeiten.

Mein Wunsch für uns alle lautet, daß wir mutig nein sagen zu allem, was die Leute von uns erwarten, von dem wir aber wissen, daß es uns krank macht; und daß wir mutig ja sagen zu unseren Überzeugungen und auch so handeln. Das schafft Platz für Gesundheit, echte Besinnlichkeit und für authentische Gemeinschaft.

Ihr
Dr. Georgios Pandalis